Offener Brief an OB Griese

Einige Bürger*innen der Stadt Hameln und des Landkreises Hameln-Pyrmont

Hameln, den 07. April 2016

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Griese,

mit diesem offenen Brief wenden wir uns an Sie, da wir um Unterstützung für zahlreiche Geflüchtete aus aller Welt bitten.

Unsere Rattenfängerstadt war bis zur immer stärker werdenden europäischen Abschottung an den Außengrenzen ein Hoffnungs- und Rettungspunkt für Menschen aus Krisenregionen dieser Erde.

In innenstadtnaher Lage befindet sich die ehemalige Linsingen-Kaserne. Es besteht eine politische und gesellschaftliche sowie moralische Notwendigkeit in unserer Stadt dahingehend, dass das ehemalige Kasernengelände als Erstaufnahmeeinrichtung bestehen bleibt. Dementsprechende Gespräche sind auch mit den Geflüchteten und den zahlreichen Flüchtlingsinitiativen geführt worden.

Am 28.08.2015 wurde in Salzhemmendorf ein Brandanschlag auf ein u.a. von geflüchteten Menschen bewohntes Haus verübt, wobei eine Frau mit ihren Kindern nur durch Zufall dem Tod entkommen konnte.

Sieben Tage später entschied der Landrat des Landkreises Hameln-Pyrmont die ehemalige Linsingen-Kaserne als Erstaufnahmeeinrichtung zu nutzen.

Angesichts der Geflüchtetensituation, nicht nur an der ungarischen Grenze, sind wir als Bürger*innen der Stadt Hameln unserer humanitären Verantwortung nachgekommen und haben durch zahlreiche Initiativen diese Entscheidung unterstützt.

Bereits bei der Entscheidung zur Nutzung der Konversionsfläche als Erstaufnahmeeinrichtung war leider nur ein Zeitraum für den Betrieb der Einrichtung für ein Jahr erörtert worden.

Die Erstaufnahmeeinrichtung in Hameln für ca. 1000 Schutzsuchende wird vom Landkreis Hameln-Pyrmont selbst in Trägerschaft als Außenstelle der Landeserstaufnahmeeinrichtung Friedland geführt. Der Betrieb ist leider bis zum 31.12.2016 befristet. Der Landkreis hat glücklicherweise ein Interesse an einer zeitlich nicht befristeten Fortführung der Erstaufnahmeeinrichtung.

Wir als Bürger*innen der Stadt Hameln haben ein großes Interesse an einer Freigabe anderer Flächen zum 31.12.2016, damit danach die Planungen für die Realisierung eines Bildungscampus aufgegriffen werden können.

Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister Griese, im Namen der unterzeichnenden Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hameln auffordern, sich für den Erhalt der ehemaligen Linsingen-Kaserne sowohl im Hinblick auf die hoffentlich noch lang bestehende Erstaufnahmeeinrichtung als auch für die Verfügbarkeit anderer BIMA-Immobilien einzusetzen.

Eine anderweitige Lage für die Realisierung eines Bildungscampus ist gegeben. Das Entwicklungspotential des ehemaligen Briten-Geländes Gundolf Park und Ravelins Camp für einen Bildungscampus wird von uns positiv bewertet. Dieses belegt die erteilte Zustimmung des Kreistages zum Neubau der Elisabeth-Selbert-Schule für die Umnutzung der Konversionsfläche.

Wir sind in großer Sorge, dass uns bei einer Umnutzung der Fläche die historische Chance auf ein soziales und humanitäres Signal aus unserer Region, die bisher durch rassistische Anschläge bekannt wurde (Salzhemmendorf, Basinghausen, Emmerthal und Eisbergen), unwiederbringlich entgeht.

In diesem Zusammenhang möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass die Stadt Hameln im Hinblick auf die Zurverfügungstellung von sozialem Wohnraum, insbesondere auch für Schutzsuchende, nicht alle der vorhandenen BIMA-Wohnungen- und Häuser genutzt hat. Unzählige Wohnungen stehen bezugsbereit leer! Stattdessen wird sozialer Wohnungsbau betrieben, der grundsätzlich notwendig und zu befürworten ist, aber auch dazu genutzt wird, Bauflächen auszuweisen, die ohne „sozialen Wohnungsbau“ als solchen nicht ohne Gegenstimmen realisierbar wären und langfristig eher den Finanzinteressen der Immobilienbranche dienen könnten.

Wir freuen uns darüber, dass hier auf Initiative des Landkreises gemeinsam mit der Stadt Hameln ein Konzept umgesetzt wird, bei dem eine ehemals von britischen Militärangehörigen genutzte Reihenhaussiedlung in der Nordstadt zu einem bunten, friedlich genutzten Viertel umstrukturiert wird, das multikulturelles Wohnen ermöglicht.

Gerne möchten wir Sie einladen, auch persönlich den Kontakt zu den Helfer*innen und Helfern, Flüchtlingsinitiativen, Netzwerken und zu den Bürger*innen und Bürgern (ob nun geflüchtet oder nicht) , zu suchen, um zu erkennen, was möglich ist, wenn nicht Bildung gegen Geflüchtete ausgespielt wird. Bildung in der Stadt Hameln endet nicht mit einer Erstaufnahmeeinrichtung, sondern schafft Entwicklungsmöglichkeiten durch Vielfalt und gegenseitige Hilfe.

Im Namen der Bürger*innen und Bürger (wir möchten uns hier nicht anmaßen für alle Bürger*innen und Bürger zu sprechen!) appellieren wir an Ihren Einsatz und Ihr Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Freiraum Hameln

P.S.: Den ausschlaggebenden offenen Brief von OB Griese an MP Weil findet ihr hier.

Achtung: Gruppen / Vereine / Zentren, wenn ihr als Unterstützer*innen unseres offenen Briefes aufgelistet werden möchtet, kontaktiert uns bitte!

Einzelpersonen können hier zeigen, dass ihr Herz für ein gutes Leben für alle schlägt: